Petra Hedorfer im Gespräch: Deutschlands Rolle im MICE-Sektor

Petra Hedorfer im Gespräch: Deutschlands Rolle im MICE-Sektor

Petra Hedorfer, Vorstandsvorsitzende der DZT, erklärt im Gespräch mit Messe & Event wie Deutschland als MICE-Destination durch Digitalisierung, Nachhaltigkeit und innovative Eventformate neue Maßstäbe setzt.

Messe & Event: Welche aktuellen Trends sehen Sie im Bereich Meetings, Tagungen und Konferenzen in Deutschland? Welche Herausforderungen müssen Veranstalter derzeit bewältigen?

Petra Hedorfer: Die großen Trends in der internationalen Reiseindustrie, die Twin Transformation aus fortschreitender Digitalisierung und der Notwendigkeit nachhaltigen Agierens, sind auch die wichtigsten Impulsgeber der Geschäftsreisen und insbesondere im MICE-Segment. Hochaktuelle Zukunftsthemen sind der Einsatz Künstlicher Intelligenz bei der Gestaltung von Events sowie die Veränderung der Arbeitswelt mit den technischen Möglichkeiten von „Work from anywhere“ kollaborativen Arbeitstechniken und interaktiven Veranstaltungsformaten. 

Die pandemiebedingten Reise- und Kontaktbeschränkungen haben den digitalen Kommunikationsmöglichkeiten insbesondere bei Meetings und Kongressen einen enormen Schub verliehen. Gleichzeitig haben die Teilnehmer von Veranstaltungen den Wert der persönlichen Kommunikation neu entdeckt.  Die Analysen der Meeting- und Eventbarometers von DZT, German Convention Bureau (GCB) und dem Verband der Europäischen Veranstaltungszentren (EVVC) vom Mai 2024 belegen für das Jahr 2024 aus der immer virtueller werdenden Arbeitswelt heraus eine steigende Nachfrage der Veranstalter und Teilnehmer nach realen Begegnungen, unmittelbarem Networking und dem Aufbau von Communities und daraus resultierend ein hohes Wachstumspotenzial für Präsenzveranstaltungen.

Deutschland hat sich in den letzten Jahren als beliebtes Ziel für Geschäftsreisen und Tagungen etabliert. Welche Faktoren machen Deutschland so attraktiv für internationale Konferenzen und Seminare?

Deutschland ist seit langem das führende Geschäftsreiseziel im internationalen Wettbewerb. Von den 53,8 Millionen internationalen Geschäftsreisen der Europäer 2023 führten 11,1 Millionen nach Deutschland, 4,6 Millionen nach Frankreich und 3,6 Millionen nach Spanien. 

Bezogen auf die Incoming-Bilanz Deutschlands aus Europa haben Geschäftsreisen einen Anteil von 20 Prozent – so viel wie in keinem anderen europäischen Land. 57 Prozent der europäischen Business Trips nach Deutschland zählten zu den promotablen Geschäftsreisen, darunter 37 Prozent Kongresse/Konferenzen, 13 Prozent Messebesuche und sieben Prozent Incentives. 

Bei den Reisen aus Übersee nach Deutschland liegen die Geschäftsreiseanteile mit 33 Prozent sogar noch höher, davon sind 62 Prozent promotable Geschäftsreisen und darunter 45 Prozent Teilnehmer an Kongressen/Konferenzen. (Quelle: IPK International 2024: World Travel Monitor 2023)

Zur Attraktivität und dem Erfolg als Geschäftsreiseziel tragen verschiedene Faktoren bei. Wesentlich sind beispielsweise die Position Deutschlands als größte Volkswirtschaft in Europa als global führendem Wirtschaftsraum, damit verbunden sind die zahlreichen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen sowie die Innovationsstärke von hier ansässigen Unternehmen. Ein zweiter wichtiger Erfolgsfaktor ist die zentrale Lage, die gute Erreichbarkeit und die Infrastruktur. Und last but not least: In der strategischen Zusammenarbeit von DZT und GCB ist Deutschland außerordentlich erfolgreich bei der Positionierung und Vermarktung des Tagungsstandortes im internationalen Wettbewerb.

Wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit für die Veranstaltungsbranche in Deutschland? Können Sie Beispiele für innovative Ansätze oder Projekte nennen, die in diesem Bereich umgesetzt wurden?

Das Thema Nachhaltigkeit ist in der MICE-Branche sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite außerordentlich wichtig. Zwischen 2011 und 2023 hat sich laut Meeting- und Eventbarometer 2023/24 der Anteil der deutschen Anbieterbetriebe mit einem zertifizierten Nachhaltigkeitsmanagementsystem von 27 Prozent auf 54 Prozent verdoppelt. Ein weiteres Drittel befindet sich in der Planungsphase einer Implementierung. Die Anbieter bewegen sich hier in einer Richtung mit der Nachfrage, denn auch die Unternehmen, die Meetings und Tagungen veranstalten, unterliegen den europaweit geltenden ESG-Richtlinien. Entsprechend bevorzugen inzwischen fast 90 Prozent der Veranstalter Anbieter mit einem nachhaltigen Zertifizierungssystem.

Beispiele aus unserer eigenen unternehmerischen Praxis sind der Germany Travel MartTM (GTM), die größte Vertriebsveranstaltung für den deutschen Incoming-Tourismus, die wir bereits seit 2012 als zertifiziertes „Green Meeting“ umsetzen. Außerdem haben wir für alle DZT-Veranstaltungen weltweit eine Balanced Score Card entwickelt, mit der wir den ökologischen Footprint von der Konzeption bis zur Realisation implementieren und in der Erfolgskontrolle dokumentieren.

Die Digitalisierung hat auch die Veranstaltungsbranche stark beeinflusst. Welche technologischen Entwicklungen und digitalen Tools sind Ihrer Meinung nach besonders vielversprechend für Meetings und Konferenzen?

Im Zuge der digitalen Transformation ist das Open Data MICE-Projekt in Zusammenarbeit mit dem DZT-Knowledge Graphen der Schlüssel, um das Angebot des Tagungsstandorts Deutschland in Form von offenen und maschinenlesbaren Daten abzubilden, Content für alle digitalen Kanäle bereitzustellen und auch mithilfe von KI-Anwendungen die internationale Vermarktung des MICE-Standortes Deutschland voranzutreiben.

Wie sehen Sie Deutschland im Vergleich zu Österreich als Destination für Meetings und Konferenzen? Gibt es bestimmte Bereiche, in denen Deutschland von den österreichischen Ansätzen lernen kann?

Die National Tourist Boards Deutschlands, Österreichs und der Schweiz arbeiten im DACH-Verbund eng und vertrauensvoll zusammen, um die deutschsprachigen Länder auf dem internationalen Markt zu positionieren.  Dazu gehört auch ein kontinuierlicher Erfahrungsaustausch von Organisationen und Leistungsträgern in allen Marktsegmenten. 

Welche Strategien verfolgt die Deutsche Zentrale für Tourismus, um Deutschland weiterhin als führende Destination für Tagungen und Konferenzen zu positionieren? Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten Jahre gesetzt?

Die hier skizzierten Trendthemen – die Twin Transformation aus Digitalisierung und Nachhaltigkeit, Anwendungen Künstlicher Intelligenz sowie die Veränderung der Arbeitswelt sind essenzielle Bestandteile unserer strategischen Ausrichtung. 

Das Meeting- und Eventbarometer 2023/24 hat gezeigt, dass deutsche Tagungs- und Kongressmarkt gegenüber diesen vielschichtigen Herausforderungen resilient und zukunftsfähig aufgestellt ist. Strategisch werden zukünftige Branchenentwicklungen vorausschauend berücksichtigt und fortschrittliche Technologien bedarfsgerecht und kundenorientiert integriert, um Deutschland auch weiterhin als nachhaltige und innovative Business-Events-Destination zu vermarkten.

Foto: DZT/Farideh Diehl

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Quelle: Messe & Event Magazin

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